Rheinland - Pfalz
2006.07.25. 19:47
Bundesländerseire - Teil 12
Bundesländer-Serie: Rheinland-Pfalz
Von Sigfrid Gauch Rhein und Wein, Gutenberg und Gerolsteiner, Fastnacht und Formel 1, BASF und Betzenberg – Rheinland-Pfalz ist eine charmante Mischung aus Tradition und Moderne. Im Hunsrück drehte Edgar Reitz sein Film-Epos „Heimat“, auf dem legendären Nürburgring in der Eifel trifft sich jedes Jahr die Rennsport-Elite und in Ludwigshafen entwickelt der Chemiekonzern BASF innovative Lösungen für die Welt von morgen. Bundesländer-Serie, Teil 11
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Aber jetzt kehr’ ich zurück an den Rhein, in die glückliche Heimat... Und das heilige Grün, der Zeuge des ewigen, schönen Lebens der Welt, es erfrischt, wandelt zum Jüngling mich um.“ Wer da zum Jüngling wurde, war Friedrich Hölderlin im Jahre 1797. Und der Ort, an den er zurückkehrte, liegt im heutigen Rheinland-Pfalz. Der Rhein ist die östliche Grenze des Bundeslandes. Hier beginnt – oder endet – das Land, in dessen Nordpfälzer Bergland ich geboren wurde, in dessen Landeshauptstadt ich lebe. Rheinland-Pfalz, ein Kunstprodukt, nicht älter als meine Generation, entstand auf Verordnung der französischen Militärregierung am 30. August 1946 aus Teilen von Kurpfalz und Rheinhessen, preußischer Rheinprovinz und Hessen-Nassau.
Was nie zusammenhing, wurde damals zusammengewürfelt, ist neue Heimat geworden. Schon die Namen Eifel und Hunsrück, Westerwald und Pfälzerwald assoziieren Eigenschaften, die nicht mit Begriffen wie mondän oder weltläufig in Verbindung gebracht werden. Hier lebt meine Familie, wie alte Urkunden belegen, seit 1324. Der Filmemacher Edgar Reitz aus Morbach im Hunsrück hat dieses Land weltbekannt gemacht. In seiner „Heimat“-Trilogie erzählt er in über 50 Film-Stunden vom Hunsrück als einem Teil der Welt, ja als einem Paradigma für Welt überhaupt. So wurden diese Filme auch verstanden und in vielleicht fünfzig Ländern weltweit ausgestrahlt. Edgar Reitz gilt als der Epiker Deutschlands des 20. Jahrhunderts und der Jahrtausendwende schlechthin, so ein bekannter Filmkritiker. In seinen Filmen finde ich mich wieder, finden wir Rheinland-Pfälzer uns wieder und sehen uns als Teil der Welt. Auch ein echter Ministerpräsident spielt in „Heimat 3“ mit. Es ist Kurt Beck, der einen Ministerpräsidenten spielt, der zur Einweihung eines Museums in den Hunsrück kommt.
Aber Kurt Beck hat diese Gegend mit seinem Filmauftritt nicht nur repräsentiert. Er hat sie auch verändert. Der Abzug der französischen und amerikanischen Truppen aus vielen Teilen des Landes nach der Wiedervereinigung Deutschlands hatte zu einem wirtschaftlichen Vakuum in dieser industriearmen Gegend geführt. Hier hat die Konversionspolitik der Landesregierung gegriffen und unter anderem dem von den Alliierten verlassenen Flughafen Hahn zu neuer Blüte verholfen. In der Einsamkeit des Hunsrück starten jetzt die Charterflugzeuge der Billiganbieter mit Touristen in alle (europäische) Welt. Seitdem haben sämtliche Landfrauenvereine des Hunsrück, die bisher nur mit dem Bus nach Luxemburg oder nach Trier kamen, für wenige Euro ihren Latte macchiato bereits in Stockholm, Riga, London, Venedig und Gerona getrunken – frühmorgens hin, abends zurück in die Heimat.
Unser Ansehen ist nicht überwältigend, auch wenn landeseigener Frohsinn, von den Mainzern verkörpert, populär ist. Zu Jahresbeginn in der „fünften Jahreszeit“, der Fastnachtszeit, verwandelt er das Land in eine Hochburg der Narretei. Helau! Zu Rosenmontag und Fastnachtsdienstag, wenn alle Büros, Geschäfte und Schulen geschlossen bleiben, wünscht man sich „schöne Feiertage“. In der Regel bleibt man sogar bei den Büttenreden mit seinem Spott über der Gürtellinie, ist tolerant und durchaus politisch – der Dichter Carl Zuckmayer hat dies in seiner „Fastnachtsbeichte“ eindrücklich beschrieben. Aber auch dem Pfälzer, dem Eifeler, dem Westerwälder fehlt dieses Quäntchen weinhessischer, Pardon: rheinhessischer Lebensfreude nicht, und den Mädels schon gar nicht. Oder hat es jemand anders erlebt? Ich hoffe nicht! Was ruppig klingt, ist so meist nicht gemeint.
Denn die Charaktere der Rheinland-Pfälzer sind wohl vor allem von den schlechten Erfahrungen vieler Generationen geprägt: Wenn Fremde in diese Gegend kamen, hatte man nichts mehr zu lachen. Schon die ersten historischen Nachrichten sind die von Kriegs-ereignissen: Cäsar kam, sah, siegte. Die ältesten Städte sind einstige römische Kasernen: Confluentes (Koblenz), Bingium (Bingen), Antunacum (Andernach), Mogontiacum (Mainz) und so weiter. Die Geschichte, die von diesen Generationen erzählt, ist vor allem Kriegsgeschichte.
Überhaupt die Geschichte: Trier zum Beispiel. Ich liebe diese Stadt, vor zweitausend Jahren vom römischen Kaiser Augustus gegründet. Im Mittelalter galt sie als eine der ältesten Städte der Welt, wurde zur Stadt der Pilger, der Touristen. Durch Trier spazieren heißt deshalb, in die Vergangenheit zu wandern, in die römische vor allem. Bald hinter Trier beginnt die Eifel, ein Landstrich von grandioser Verlassenheit mit vulkanischer Vorgeschichte, ein Naturpark sondergleichen, Paradies für Wanderer, mit Grundwasser, das sich wirtschaftlich lohnt: in Gerolstein vermarktet man es als Mineralwasser und in Bitburg in einem der bekanntesten deutschen Biere.
Trier hat bedeutende Söhne hervorgebracht und feiert sie, manche allerdings mit etwas verkniffenen Mundwinkeln. Das Geburtshaus von Karl Marx ist so richtig fotogen. Durch Trier spazieren heißt aber auch, sich an eine der frühen Stätten der Christenheit zu begeben. Seine Bedeutung als Metropole Westeuropas liegt bald zwei Jahrtausende zurück. Im Gegensatz zum Trier der Antike hatte Mainz seine Blütezeit im Mittelalter. Nicht grundlos wurde es als das „Goldene Mainz“ bezeichnet, sein Erzbischof war zugleich Primas Germaniae, der Erzkanzler des Deutschen Reiches. Wie Worms und Speyer, so hat auch Mainz einen majestätischen Dom, in dem Karl Kardinal Lehmann, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, das Hochamt feiert. Überhaupt habe ich ein Faible für heilige Messen in lichtdurchfluteten romanischen Domen, an denen dieses Land keineswegs arm ist.
Zu Rheinland-Pfalz gehört auch der bekannteste Teil des Rheines, über dem sich die Loreley das goldene Haar kämmt, wo sich der Rhein nur auf Wein reimen kann und auf sonst gar nichts, wo es so herrlich romantisch ist. Kein Wunder, dass das Mittelrheintal zum Weltnaturerbe erklärt worden ist. Hier stehen die Burgen und Dome, Attraktionen für Touristen, Zeugen der vergangenen Macht des Adels. Etwas weiter rheinaufwärts liegt Ludwigshafen, dieser Industriegigant, dessen Erzeugnisse für den Fortschritt stehen und für den Wohlstand vieler.
Der größte Sohn der Stadt, der Philosoph Ernst Bloch, schrieb einmal, Heimat sei das, was allen in die Kindheit scheint und worin doch noch niemand war. Heimat also gibt es und gibt es doch nicht. Heimat ist heute die Welt, deren Globalität wir täglich erfahren und auch zu nutzen verstehen, aber es sind auch die Weinreben und die Dome und der bei Worms im Rhein versenkte Schatz der Nibelungen. Es ist also auch das heilige Grün, das schon Hölderlin erfrischt und zum Jüngling umgewandelt hat. Nicht nur ihn.
Sigfrid Gauch,
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